steppenhund - Fr, 12:38

Der Wachler bekleidet eine ehrenwerte Funktion, die in verschiedenen Ländern unterschiedlich ausgeführt wird.
Ich beschreibe hier einmal die österreichische Version, die durch regionale Unterschiede geprägt ist. Der Ausdruck "bekleidet", weiter oben gewählt, trifft vielleicht nicht ganz zu, weil der Wachler eben nicht bekleidet ist. Allenfalls ist er noch durch einen Lendenschurz verhüllt, der aus technischen Gründen nicht aus Leder ausgeführt ist.
Interessanterweise ist der Wachler einer, der dieses freiwillig macht. Doch ähnlich wie der Lugner nie eine Audienz beim Kaiser bekommen wird, gibt es Orte, an denen die gesamte Freiwilligkeit nichts bewirkt, weil dort das Wacheln den Ortskaisern vorbehalten ist. Einer der Orte, an denen dieses Phänomen besonders stark ausgeprägt war(!), befand sich im Wiener Wurstelprater. Man hätte verprügelt oder im besten Fall des Ortes verwiesen werden können, hätte man sich getraut, sich des Wachelns anzunehmen.
Heute wird das nicht mehr so heiß wie damals in Floridsdorf oder in der Leopoldstadt gegessen. Of ist man froh, wenn sich einer bereitfindet, weil es sich allmählich um eine aussterbende Rasse handelt.
In Deutschland wird das etwas anders gehandhabt. Dort wird die Tätigkeit des Wachelns in die Pflichtenliste eines bezahlten Jobs aufgenommen. Dafür besitzt der Wachler uneingeschränkte Herrschaftsgewalt. Er stellt sich vor (es kann auch eine sie sein) und danach heißt es, die Goschen zu halten. Selbst zustimmende Rufe werden mit der trockenen Bemerkung abgekanzelt: "Haben wir uns nicht darauf geeinigt, kein Wort zu sprechen?"
Da bevorzuge ich doch die Wiener Variante, bei der über die Vorzüge des Wachlers freie Bemerkungen fallen. Wie:
"Naja, er lernt ja erst."
"Der Einsatz ist super, aber die Technik? die Technik?"
"Na, das sieht ma, dass es was gebracht hat, dass ma ihn was lernen ham lassen."
"Sehr grazile Körperbewegungen."
"Gelernt ist gelernt."
"Jetzt fehlt nur mehr der Feinschliff."
Allerdings wird sogar derjenige beklatscht, bei dem festgestellt wird:
"Die Gesetze der Thermodynamik beherrscht er aber noch nicht:
-
Spätestens jetzt sollte klar sein, dass der Wachler mit einem Handtuch wachelt, um sehr heiße Luft auf die Brüste seiner Opfer zu verteilen. Es gibt ja auch "Sitzer"*, die ohne einen Wachler auskommen, doch der richtige Saunagenuss stellt sich nur mit einem Wachler her.
*) Als Sitzer (kein Mensch) wird ein Saunaaufguss bezeichnet, bei dem lediglich Wasser oder Eis auf die Steine geschüttet wird, aber niemand den entstehenden heißen Luftstrom verteilt. Jeder bleibt auf seinem Platz "sitzen".
Man muss sich das ungefähr wie ein Beefsteak aus Tofu vorstellen."

Jossele - Fr, 21:58

Na endlich jemand, der den Begriff zuordnen kann.

Wobei, der wirkliche Wachler tut eben dieses, nämlich wacheln, nicht laut herumpeitschen in der Luft.
Wenn sich das Saunagut nach dem Aufguss oben gesammelt hat, das Wacheltuch gemächlich über die Schöpfkelle legen und fahnengleich die Temperatur von oben herunterstreichen. Gleiten muss das und Zeit haben sich mit dem Körper zu vereinen.
Danach Gegenschwenken von unten ehe der Rotor kommt.
Und das Ganze noch einmal. Da siehst du schon wer noch was extra braucht, also nach der Fahne dezenter Achter in seine/ihre Richtung.
Und immer schauen, dass denen am unteren Bankerl die Füß nicht kalt bleiben, also alles bis ganz runter holen.
Wasser je nach Kammerlgröße, da braucht es gar nicht so viel, sonst ist der Sauerstoff weg und die Leut werden damisch.

Ja, ich bin ein bekennender Wachler, auch wenn ich in der Pratersauna nie durfte, aber das waren Barbaren.
nömix - Fr, 22:07

Danke für die weiterführenden Erläuterungen. (Der Österreicher ist ja von Haus aus ein leidenschaftlicher Wachler, wie das historische Fotodokument von 1938 eindrucksvoll belegt: welches abertausende Wiener am Heldenplatz dabei zeigt, wie sie grad dem Redner auf dem Balkon einhellig durch abwacheln (= mit den Händen verneinend abwinken) zu verstehen geben, dass sie von ihm nix hören wollen.)
Jossele - Fr, 22:43

Die Wachler von 38 haben ja ab 45 dann eh nur noch in den Nachkriegssaunas das ihre getan, quasi staatstragend, bzw. -wachelnd. Diesbezüglich scheinen Dentisten und Wangennarbenträger excellente Wapler, Entschuldigung, Wachler zu sein.

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