Unter der Überschrift »Charlie-Qualle in der Feuerhölle« wird im
SPIEGEL über die Bruchlandung und den darauffolgenden Brand eines Lufthansa-Frachtflugzeugs Ende vorigen Monats im saudi-arabischen Riad spekuliert:
»Das in Saudi-Arabien verunglückte Flugzeug verbrannte, weil es gefährliche Fracht an Bord hatte. Waren auch Militärgüter der US-Armee darunter?« |
Angeblich (sic) befanden sich »potentiell gefährliche Teile an Bord des Frachtflugzeugs – darunter Maschinengewehre und Güter des US-Militärs.«
Inwiefern (angebliche) Maschinengewehre im Frachtraum für einen Flugzeugbrand potentiell gefährliche Teile sein sollen, wird nicht näher erläutert.
»Das havarierte Flugzeug hatte nach SPIEGEL-Informationen tatsächlich leichtentzündliche Ladung an Bord – eine Erkenntnis, die den Unfall um ein mysteriöses Detail reicher macht.« |
»Zwei Paletten waren mit Aufklebern als Gefahrgut gekennzeichnet. [..] Wie aus Lufthansa-Papieren hervorgeht, befand sich in einem der beiden Frachtstücke heikler Inhalt: gefährliche Chemikalien.«
– eine Erkenntnis, da schau her. Nach SPIEGEL-Informationen. An Bord zwei Frachtstücke, die laut Aufklebern und Frachtpapieren ordnungsgemäß als Gefahrgutsendungen deklariert waren – an welcher Stelle der Geschichte sich ein mysteriöses Detail verstecken soll, wird dem Leser nicht verraten.
»War den Piloten klar, welche riskante Fracht sie durch die Lüfte kutschierten?« *) |
Bestimmt nicht. Sonst hätten die sich das mit ihrer Bruchlandung bestimmt vorher anders überlegt und wären lieber ordentlich gelandet.
*) Antwort: Ja, die Piloten sind darüber informiert, welche Gefahrgüter sie transportieren. Genauso wie jeder Lkw-Fahrer, der solche “über den Landweg kutschiert“. (mit der sog. NOTOC = Notification to Captain übermittelt der verantwortliche Load Controller der Besatzung im Cockpit eine Auflistung der geladenen Gefahrgüter.)
Hätten die SPIEGEL-Schlaumeister ihre Frage nicht rein spekulativ in den Raum, sondern halt vorher z.B. an den Lufthansa-Cargo-Sprecher gestellt, wären sie auch zu dieser “Erkenntnis“ gelangt. Und ihre Geschichte “um ein mysteriöses Detail“ ärmer gewesen.
Noch eher ist jedoch zu erwarten, dass die Existenz eines Hecktanks bei einer MD11 angezweifelt wird, weil: Davon hat man ja noch nie was gehört. Das ist die Kernkompetenz des zeitgenössischen Journalismus: wissensfreies und durch sachbezogene Denkvorgänge unabgelenktes "in Zweifel ziehen".
PS: Ich denke nicht, dass es lohnend ist, sich mit solchen Trance-Geschichten, wie zum Beispiel dieser von SPON, aufzuhalten. Vielmehr vermute ich eine drängende Notwendigkeit für uns alle, über das Erscheinungsbild eines demokratiefördernden Journalismus nachzudenken.
Das ist dann aber schon Wunschtraum, denn Sie gehen ja davon aus, dass man auch ohne das Geplapper einen dann aufklärenden und nüchternen Artikel gebracht hätte. Ich glaube ja eher, dass es ohne das Geplapper für den Spiegel gar keinen Anlass für einen Artikel gegeben hätte. Es geht nicht um Nachrichten sondern um "Tiere! Menschen! Sensationen!".