In 30 Tagen um die Welt, 20. Tag

Seltene Vögel findet man in Indien allenthalben, da sitzen manche ihr Lebtag lang im Lendenschurz auf einem Holzpfahl in der Sonne, oder (die Schlaueren:) unter einem Bodhi-Baum im Schatten – Herr Dr. Sálim Ali (1896-1987) aber, der hochberühmte indische Ornithologe, der suchte sein Lebtag lang nach einem ganz bestimmten Vogel:
Der Godavari-Rennvogel [Hemerodromus bitorquatus], im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh endemisch, galt seit 1900 als ausgestorben. Anfang 1932 startete Herr Dr. Ali seine ambitionierte Suche mit dem Ziel, den legendären Vogel wiederzuentdecken: ein Unternehmen, das ihn für den Rest seines langen Forscherlebens in Anspruch nehmen sollte. Über ein halbes Jahrhundert, 54 Jahre lang bis kurz vor seinem Tod, pirschte er unentwegt durchs indische Unterholz, tagaus & tagein, von Tagesanbruch bis Sonnenuntergang. Ohne Erfolg.
Erst im Jahr 1986, mittlerweile 90-jährig, erfuhr er en passant bei einer Plauderei mit einheimischen Vogelfängern, dass der Godavari-Vogel gar nicht so selten war wie er die ganze Zeit geglaubt hatte: nach Einbruch der Dunkelheit liefen die scharenweise im Wald herum. Bereits in der darauffolgenden Nacht gelang es, im Schein einer Taschenlampe ein Exemplar einzufangen. Damit gelangte Herr Dr. Ali zu zwei grundlegenden ornithologischen Erkenntnissen, nämlich dass der Godavari-Rennvogel 1.) keineswegs ausgestorben, und 2.) grundsätzlich nachtaktiv ist.
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geglaubte Vogelarten Indiens wiederentdecken.« (KURIER, 03.02-1987)

30 Tage um die Welt - Fr, 11:48