Milchmädchen-Mathematik

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) fordert, die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Orts­ge­biet von 50 auf 30 km/h herabzusetzen, denn:

» Der Treibstoffverbrauch ist bei Tempo 30 [statt 50] um durchschnittlich zwölf Prozent nied­riger und weniger giftige Schadstoffe verschmutzen die Luft.«
Heißt also:
Für die gleiche Fahrtstrecke verlängert sich bei Tempo 30 statt 50 km/h die Fahrzeit um an­nähernd 67 Prozent. Infolge ist der (um zwölf Prozent niedrigere) Treibstoffver­brauch für die gleiche Fahrtstrecke um etwa 46 Prozent höher als bei Tempo 50.

(Andere Milchmädchenrechnung: Wenn ich im 1. Gang mit Schritttempo von Wien nach Linz fahre, ist mein Treibstoffverbrauch & Schadstoffausstoß dann geringer als wenn ich die näm­li­che Strecke mit Tempo 100 km/h zurücklege?) (Herr Steppenhund, korrigieren Sie mich wenn ich mich irre.)
Shhhhh - Do, 09:49

Ivan Illich behauptete, dass wir uns trotz Besitz eines Automobils nur mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 7 km/h fortbewegen im Leben. Vielleicht sollten wir die Milchmädchenrechnung endlich mal in den Kanon der ernsthaften Wissenschaften erheben?

nömix - Do, 10:40

Diese VCÖ-Schlaumeisterei erinnert an den Schwank, wo ein Knirps heimkommt und stolz berichtet: “Heute hab ich mir zwei Schilling Fahrgeld erspart, weil ich nicht mit der Straßenbahn gefahren sondern stattdessen hinterhergelaufen bin.“ – Aber der Vater lobt ihn nicht, er schimpft: “So eine Verschwendung, wärst du hinter einem Taxi hergelaufen, hättest du dir zwanzig Schilling erspart!“
Fred (Gast) - Do, 12:06

Wenn der Verbrauch auf 100km gerechnet ist, dann ist es doch egal wie lange man dafür braucht, oder?
Meiner Meinung nach stimmt es was der VCÖ behauptet (sofern der Vebrauch bei 30kmh wirklich geringer als bei 50kmh ist).
Oder überseh ich da was...?

nömix - Do, 12:37

Die Frage hab ich mir auch gestellt – nach welchem Modus hat der VCÖ das aus­gerechnet?
Wenn ich etwa mit dem 3. Gang mit 50 km/h bei konstanter Motordrehzahl eine Stunde lang fahre, komme ich 50 Kilometer weit. Fahre ich etwa mit dem 2. Gang eine Stunde lang mit 30 km/h und derselben Motordrehzahl wie oben, ergibt das den gleichen Treibstoffverbrauch (minus besagte zwölf Prozent wegen geringerem Luftwiderstand, Reibungswiderstand), bin aber nur 30 Kilometer weit gekommen. Für die restlichen 20 Kilometer verbrauche ich wiederum die oben berechneten zusätzlichen 46 Prozent Treibstoff.
Irgendwo steckt da ein Haken drin.
noname (Gast) - Fr, 10:17

Der Haken steckt darin, dass Sie Durchschnittsgeschwindigkeiten (innerstädtisch!) und die sich daraus ergebenden Fahrtzeiten miteinander vergleichen müssten.
Jossele - Sa, 20:42

Der Varbrauch hängt in erster Linie von der Drehzahl und der Fahrtdauer ab. Der Reibungswiederstand bei höherer Geschwindigkeit (zwischen 30 und 50 Kmh relativ vernachläßigbar) macht das bei weitem nicht wett.
Beschleunigen und immer wieder abbremsen im Stadtverkehr korrelieren sicher mit dem Verbrauch, aber ich bezweifle, ob in der vom VCÖ berechneten Höhe (bei Stop and Go sind 50 sowieso illusorisch).
Georg (Gast) - Do, 21:59

Der Verbrauch von Fahrzeugen wird üblicherweise auf die Strecke bezogen, nicht auf die Zeit. Wenn das die Studie des VCÖ, wie ich annehme, auch tut, geht Ihre Rechnung daneben.

Und zu Ihrem Kommentar vom 2.5, 12:37, auf den ich leider nicht direkt antworten kann (50 km/h im 3. Gang vs. 30 km/h im 2.): Der Verbrauch hängt nicht von der Drehzahl ab, sondern von den Luft-, Steigungs-, Roll- und Reibungswiderständen sowie von den Verlusten durch Anfahren/Bremsen. Der Luftwiderstand beträgt bei 30 km/h nur 9/25 vom Widerstand bei 50. Steigungs- und Rollwiderstand hängen gar nicht von der Geschwindigkeit ab. Die Reibung (in Motor und Getriebe) dürfte mit der Drehzahl steigen. Und die Anfahr/Bremsverluste sind bei Höchstgeschwindigkeit 30 offensichtlich kleiner als bei 50.

Fazit: 2 Effekte, die bei 30 eindeutig Benzin sparen, 2, bei denen es wurscht ist, und einer, bei dem 30km/h wahrscheinlich Verbrauch (und Lärm!) etwas steigert: Meiner Erfahrung nach braucht man für 30 den 2. Gang und etwas höhere Drehzahl als für 50 im 3. Hängt natürlich von der Getriebeübersetzung und der Motorauslegung ab. In Summe kommen wohl tatsächlich die -12% des VCÖ heraus. Nicht zu vergessen die geringere Anzahl und Schwere von Unfällen.

Trotzdem glaube ich nicht, dass dieses "Schleichen" psychologisch durchsetzbar ist.

nömix - Fr, 09:20

Dass sich der auf die zurückgelegte Strecke bezogene Treibstoffverbrauch nicht ohneweiters durch eine geringere Fahrgeschwindigkeit reduzieren lässt, wollte ich mit dem konstruierten Beispiel darlegen: wer im Schritttempo von Wien nach Linz fährt, verbraucht dafür eben nicht weniger Treibstoff als mit Tempo 100. Im Stop & Go-Verkehr oder gar im Stau brauchts auf der gleichen Strecke natürlich mehr als bei höherer Durchschnittsgeschwindigkeit.
Vor Jahren gab es schon mal die gutgemeinte Aktion “Gleiten statt Hetzen“, sozu­sagen das kollektive Schleichen von Ampel zu Ampel, damit alle auf der “grünen Welle“ mitschwimmen könnten anstatt vor jeder roten Ampel anzuhalten und bei Grün wieder anzufahren. Nach kurzer Zeit schon stellte sich heraus, dass auf diese Methode signifikant weniger Fahrzeuge pro Grünphase die Ampel passieren konnten als auf die herkömmliche Stop & Go-Methode – weswegen von der Aktion auch bald nix mehr zu hören war.
Dass sich Anzahl und Schwere von Unfällen durch niedrige Tempolimits herab­setzen lassen, steht freilich außer Zweifel.
Lo - Fr, 09:10

Gibt es vielleicht einen Zusammenhang zwischen Michmädchenrechnung und Laktoseintoleranz?

h. - Fr, 11:54

> Tempo 30 statt 50 km/h die Fahrzeit um annähernd 67 Prozent.

das ist aber auch eine sehr doofe milchmädchenrechnung.
Tempo 50 ist die zulässige höchstgeschwindigkeit nicht die permanente fahrgeschwindigkeit.

h. - So, 22:09

ja eh
steppenhund - Fr, 22:09

Da ich angesprochen wurde, muss ich Farbe bekennen und zugeben, dass ich entsprechende Sparsamkeitsrechnungen absolut nicht anstellen kann.
Allerdings ist die Meldung des VCÖ eine ziemlich beschissen depperte, weil sie von einem Durchschnitt spricht, der über alle Fahrzeuge genommen nicht berechenbar ist.
1) Der Treibstoffverbrauch ist z.B. bei einem Elektromobil ziemlich gleich und zwar null. Die Kosten für die Energiegewinnung hängen vom Footprint der Kraftwerke und den Erzeugungskosten von Batterien ab.
2) Benzin und Diesel haben sicher unterschiedliche Berechnungsparameter. Da kann ich die Unterschiede nicht beurteilen.
3) Allerdings haben unterschiedliche Automodelle unterschiedliche Motorkennzahlen. Ich würde einmal behaupten, dass der Schadstoffausstoss weitaus günstiger bei der Nenndrehzahl als beim Anfahren und niedertourigem oder hochtourigem Fahren liegen. Es ist darauf das zugrundeliegende Geschwindigkeitsprofil ziemlich essentiell für irgendeine Vergleichsrechnung.
Die Studie müsste man sich hinsichtlich der Protokolle und der Detaildaten genau ansehen, was da alles zusammen gemixt wurde.

Ich würde allerdings fordern, dass der durchschnittliche IQ der VCÖ-Mitglieder von 80 auf 110 angehoben werden sollte. Dann würden ihre Forderungen, die ich zum Teil durchaus für unterstützenswert halte, vielleicht eine höhere Durchschlagskraft gewinnen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Flugzeuge wesentlich weniger Schadstoffe ausstoßen würden, wenn man ihre Verkehrsgeschwindigkeit von 800km/h auf 100 km/h senken würde. (Sie würden dann zwar keinen mehr hochkriegen, aber dafür sehr umweltfreundlich gleiten.)

nömix - Sa, 08:53

Gegen ein Tempolimit 30 in bestimmten Zonen gibts prinzipiell nix einzuwenden, dort wo es sinnvoll ist und zur Verkehrssicherheit beiträgt. Aber da sind wir ja eh bereits: 30er-Zonen gibts ja längst. Ein generelles Tempo 30-Limit im Ortsgebiet wäre hingegen kontraproduktiv und würde weder Treibstoff- noch Fahrzeit­ersparnis, noch Schadstoffreduktion bewirken. Schon allein der administrative Aufwand (Novellierung der StVO, Änderung der Beschilderung et al.) stünde in keinerlei vernünftiger Relation zum Resultat. Wesentlich sinnvoller u. effektiver zur Minimierung von Unfallzahlen, Treibstoffverbrauch, Schadstoffausstoß und Fahrzeiten wäre die Optimierung des Verkehrsflusses durch einheitliche Tempo­limits außerorts sowie auf Autostraßen & Autobahnen von 110 km/h für Pkw und 90 km/h für Lkw & Busse. Warum ist das dem VCÖ noch nicht eingefallen.
Jossele - Sa, 20:52

Strecke X nach Y, Freilandsrtaßen und Ortsgebiete, von 100 oder 90 jeweils auf 30 herunterbremsen oder -gleiten, da brauch ich nicht sehr viel Mathematik, das wäre einfach mehr Spritverbrauch weil mehr Kraftaufwand.
110/100/90/50 wär optimal, auch im Sinne der Sicherheit.
h. - So, 22:11

> Schon allein der administrative Aufwand (Novellierung der StVO, Änderung der Beschilderung et al.) stünde in keinerlei vernünftiger Relation zum Resultat.

sorry, aber aufgrund solcher argumente wurde schon Echnaton erschlagen - jede veränderung ist böse.

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